Aus Stall wird Wohnraum: Optimale Umnutzung dank Systembau

In einem umgebauten Landwirtschafts-Gebäude leben: Für viele Menschen ist und bleibt das ein Traum. Familie Gnägi aus Zihlschlacht hat ihren Traum in die Realität umgesetzt. Sie hat aus einem Stall ein Wohnhaus gemacht. Herausforderungen der Umnutzung? Die optimale Integration der Räume in die bestehende Gebäudehülle. Und das Licht.

Weite Felder und Wiesen direkt vor der Haustür, am Horizont die Berge: Wer in Zihlschlacht TG wohnt, lebt idyllisch – wie zum Beispiel Andy Gnägi. Der Holzbauingenieur hat eine Umnutzung vorgenommen und bewohnt mit seiner Familie seit 2018 einen umgebauten Stall am Dorfrand. Das Gebäude stammt aus dem Jahr 1985.

Die Leitung des Umbaus übernahm der Bauherr gleich selber. Für die Holz-Montagearbeiten im Obergeschoss war die Krattiger Holzbau AG zuständig. Auf dem Weg zum fertigen Wohnhaus waren aber ein paar Herausforderungen zu meistern.

Umnutzung: Konstruktion bleibt bestehen

Wer (um)baut, bewegt sich in einem Spannungsfeld. Vorgaben der Behörden auf Basis der Bau- und Zonenordnung geben den gesetzlichen Rahmen vor. Die Bauherrschaft hat Wünsche in Bezug auf Ausbaustandard, Materialien und ökologische Aspekte. Nicht zu vergessen sind auch die Finanzen. Bei historischen Gebäuden werden die Arbeiten zudem meistens vom Denkmalschutz begleitet.

«Wie bringen wir das Tageslicht ins Haus?» Das war bei diesem Projekt die zentrale Frage während der Planungsphase. Denn das Gebäude präsentierte sich als typischer, zweckmässiger Stall mit grossem, ausladendem Dach. Es wurde getragen von einer optimal auf die damaligen Bedürfnisse ausgerichteten Konstruktion aus Holz.

Konstruktion: Viel Licht dank regelmässiger Anordnung der Fenster

Raumhohe Fenster waren bei der Umnutzung aufgrund der behördlichen Vorgaben nicht möglich. Zudem wollte der Bauherr keine Veränderung des äusseren Erscheinungsbildes. Denn der ursprüngliche Charakter des Gebäudes sollte so weit als möglich erhalten bleiben. Innen war man frei in Bezug auf die Gestaltung des Lebensraums. Das Wohnhaus ist topmodern und trotzdem heimelig:

  • Fassade: Auf den schmalen Seiten des Gebäudes befinden sich zwei riesige Öffnungen in der Fassade aus Fichtenholz. So fällt viel Licht ins Treppenhaus und das zentrale Element des Wohnbereichs, den Flur.
  • Loggia-Giebel: Dieser zurückversetzte Balkon auf der Südseite ist ideal für laue Sommerabende.
  • Parterre (ehemaliger Kuhstall): Hier findet man Garderobe, Waschküche, Heizung und Garage – und später noch einen Coiffeursalon.
  • Obergeschoss (Heustock): Hier entstand der Wohnbereich mit Wohnzimmer, Küche, Schlafzimmer und Nasszellen. Die Räume befinden sich links und rechts des Flurs.
  • Dachgeschoss: Dieses Stockwerk wurde noch nicht ausgebaut.

Die Holzständer-Wände des Erd- und Obergeschosses bestehen aus Schweizer Fichtenholz. Bei der Wandverkleidung kamen im Parterre  Grobspanplatten und im Wohnbereich Gipsfaserplatten zum Einsatz.

Innenausbau: Weisstanne aus der Schweiz

Von der Treppe über die Fenster, Schränke und Badezimmer-Möbel bis zum Wandfries in der Küche: Für den Innenausbau wurde ebenfalls viel Holz verwendet – und zwar praktisch ausschliesslich astfreie Weisstanne. Dieser Nadelbaum verfügt über relativ mattes, weiches Holz ohne Harz, das sich bestens zur Herstellung von Möbeln, Beplankungen und Wandverkleidungen eignet. Die Decken bestehen aus Brettsperrholz (BSP), ebenfalls in Weisstanne.

Eine Ausnahme bei dieser Umnutzung bilden teilweise die Böden: Wurde im Obergeschoss in den meisten Räumen ein Weisstannen-Parkett verbaut, so waren es im Badezimmer Platten. Die Böden im Erdgeschoss und in der Küche wurden mit einem versiegelten, eingefärbten Anhydrit ausgeführt. Anhydritböden bestehen aus Sand, synthetischem Calciumsulfat und Wasser.

Herausforderung: Alle Elemente durchs Dach ins Gebäude

Die bestehende Grundstruktur des Gebäudes gibt bei Umnutzungen den Rahmen vor. Was ist möglich in Bezug auf die Grösse der Bauteile? Wie sind die Platzverhältnisse rund ums Haus? Wie läuft die Montage vor Ort ab? Unter anderem diese Fragen müssen die Ingenieure, Werkplaner und Montageleiter bereits vor Produktionsbeginn beantworten.

Beim Projekt «Wohnen im Stall» in Zihlschlacht TG wurde die Grundstruktur einer ganzen Wohneinheit über das Dach in eine bestehende Binder-Tragkonstruktion eingefügt. Dazu wurde das Dach abgedeckt und nach Beendigung der Arbeiten neu eingedeckt. Die Koordination zwischen den am Umbau beteiligten Personen war hier deshalb besonders wichtig:

  • Engineering: Es wurde von Beginn an darauf geachtet, dass man an der bestehenden Substanz möglichst wenig Eingriffe machen musste. Beispielsweise wurden die Stahlstützen im EG zusätzlich ausbetoniert.
  • Werkplanung: Bei der Planung der Vorfertigung im Werk lag der Fokus auf der Montageplanung. Die einzelnen Elemente durften nicht grösser sein als 3 mal 5 Meter, damit sie durch das Dach ins Gebäude gehievt werden konnten. Zudem musste die Raumeinteilung an die bestehende Schalung angepasst werden.
  • Montageleitung: Für den Pneukran gab es genügend Platz vor dem Gebäude. Die knapp 30 Elemente und 25 BSP-Platten wurden innert fünf Tagen laufend angeliefert, ins Gebäude gehievt und sofort montiert.

Aufgrund der gewählten Holzqualität war auch der Weitblick der Zimmerleute und Schreiner gefragt. Denn bei einer grösseren Fläche – zum Beispiel einer Treppe – fallen kleinste Materialfehler beim Holz noch mehr auf als bei einem Möbel. Mit allergrösster Sorgfalt und dem Gespür für die Details stellten sie die Inneneinrichtung her.

Siehe auch:
Brettsperrholz
Grossflächige Bauteile
Schweizer Holz
Trockenbauweise
Vorfabrikation

Angaben zum Projekt

Bezeichnung Wohnen im Stall
Aufgabe Umbau
Standort Zihlschlacht
Bauherr Privat
Verfahren Direktvergabe
Konstruktionsprinzip Holzständerbau (Obergeschoss), Pfosten-Riegel (Fassade)
Leistungsbereich Holzbau
Auftragssumme CHF 250’000
Ausführungsjahr 2017/2018
beteiligter Architekt Gartmann Gutarra Architekten, Zürich
beteiligter (Holzbau-)
Ingenieur
Krattiger Engineering, Happerswil
Besonderes/ Herausforderungen Raumeinteilung: Anpassung der Räume an bestehende Schalung (Fenster)